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Jean Asselborn und Andreas Zumach im Centre Jean XXIII
4. Juni 2024
„Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor“. Mit diesem in den letzten beiden Jahren häufig benutzten Satz begann Jean Louis Zeien, der Generalsekretär von Justice et Paix Luxembourg“, seine Begrüßungsansprache an das zahlreiche Publikum, einige Tage vor der Europawahl. Da auch die luxemburgische Verteidigungsministerin Yuriko Backes und ihr deutscher Amtskollege Boris Pistorius diesen Spruch oft zitiert haben, fragte Zeien, ob man sich in Europa auf Krieg vorbereiten muss, um ihn zu verhindern. Er erwähnte auch den Vorstoß des französischen Präsidenten Emmanuel Macron der den Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine nicht mehr ausschließen möchte. Sollte man nicht auch während eines heißen Krieges über Friedensstrategien nachdenken, fragte Zeien. Die EU wurde ja gerade nach den schlimmen Kriegserfahrungen des Zweiten Weltkriegs als Friedensprojekt gegründet, 2012 erhielt sie den Friedensnobelpreis.

Als erster ergriff Jean Asselborn das Wort und bestätigte diese Sicht der EU als Friedensprojekt. Auch die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU, an der Jean Asselborn fast 20 Jahre mitgewirkt hat, sei grundsätzlich auf die Wahrung des Friedens, auf Diplomatie und Achtung der Menschenrechte ausgerichtet. Aber der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine mit ganz fadenscheinigen Begründungen habe neue Fakten geschaffen. Putin wolle damit auch die Einheit der EU und der Nato auf eine Probe stellen, wie er auch mit seinem hybriden Krieg viele andere Domänen der demokratischen und freiheitlichen Gesellschaften auf eine Probe stellen will, so Asselborn. Jeder angegriffene Staat habe nach der UN-Charta das Recht sich zu verteidigen und das Recht Bündnisse für diese Verteidigung zu schließen. Deshalb unterstützt die EU und die NATO die Ukraine auch mit Waffen, Frankreich vielleicht sogar auch mit Ausbildungspersonal. Das liegt im Ermessen jedes einzelnen Mitgliedstaates, so Asselborn.
Der Ukrainekrieg ist nicht der erste Krieg in Europa seit 1945
Einzelne Teile dieses Lobliedes auf die EU konnte Andreas Zumach, der 1981 der Begründer der deutschen Friedensbewegung gegen die Nachrüstungsbeschlüsse der NATO war und zwischen 1988-2020 als Journalist in Genf die UN aus nächster Nähe beobachtet hat, nicht zustimmen. Seiner Meinung nach war der überhastete Beitritt einiger osteuropäischer und UDSSR-Nachfolgestaaten seit 1991 zur EU und zur NATO überhastet und hat dem Frieden keinen Dienst erwiesen, da er Russland und seine Interessen außen vor gelassen hatte. Auch die überhastete und nicht abgesprochene Anerkennung von Slowenien und Kroatiens durch Deutschland und andere EU-Staaten, ohne dabei die anderen Nachfolgestaaten Jugoslawiens zu berücksichtigen, habe dem Frieden nicht gedient, sondern war mit ein Grund der folgenden Bürgerkriege auf dem Balkan, die erstmals zu einem Krieg mitten in Europa nach 1945 geführt hatten. Auch Jean Asselborn musste eingestehen, dass auch noch unter seiner Amtszeit seit 2004 im Umgang mit Russland Chancen verpasst wurden. Allerdings sei es müßig in der Vergangenheit zu grübeln, wenn in der Gegenwart und Zukunft größere Gefahren abgewendet werden müssen. Dies sei vor allem die Gefahr des wachsenden Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus in der EU, die das Friedenprojekt von Innen bedrohen. In Ungarn und in Italien stellen diese Tendenzen schon die Regierung, auch in fast allen anderen EU-Staaten seien sie auf dem Vormarsch. Während Jean Asselborn den Gazakrieg für den wachsenden Antisemitismus verantwortlich machte, und die Zwei Staaten Lösung als Allheilmittel für eine Befriedung des Nahostkonfliktes ansah, ging Andreas Zumach diesem Thema eingedenk der deutschen Geschichte zunächst aus dem Weg. Dazu hatte Zumach jedoch im März in einem Podcast des Deutschlandfunks bereits Stellung bezogen. Darin hatte er einen stärkeren Druck auf Ägypten gefordert, das mit einer Öffnung seiner Grenze zu Gaza und der Aufnahme der dortigen Zivilbevölkerung das Massensterben und den Krieg dort schnell beenden könnte, mit den entsprechenden Garantien der westlichen Welt, dass die Zivilbevölkerung Gazas dann nach Ende der kriegerischen Auseinandersetzung wieder in den Gazastreifen zurückkehren könnte, so Zumach damals. In eine ähnliche Richtung ging auch eine der ersten Fragen aus dem Publikum, die von Weihbischof Leo Wagener kam und lautete: „Hat die Hamas diesen Krieg gewonnen, wenn als Folge des terroristischen Überfalls dieser Terrororganisation vom 7. Oktober jetzt immer mehr Staaten Palästina anerkennen?“
Eine Antwort auf diese und weitere noch offene Fragen werden vielleicht die nächsten Konferenzen der Kommission „Justice et Paix Luxembourg“ geben, die im Oktober/November und Januar 2025 weitergehen unter dem Motto: „Wo geht’s zum Frieden“? Dabei sollen die neuesten völkerrechtlichen, rüstungstechnischen und Luxemburg spezifischen Aspekte der derzeitigen multiplen Krisen im Mittelpunkt stehen. Am Ende bedankte sich Justice & Paix Präsident Jean Paul Lehners für die engagierte Diskussion der beiden Gäste und des Publikums. Er forderte das Publikum auf, bei der Suche nach Frieden und Gerechtigkeit gerade jetzt nicht nachzulassen. Dabei verwies er auch auf das Beispiel von Michel Schaack aus Bettemburg, der vor wenigen Tagen verstorben ist und sein Leben lang ein vorbildlicher Aktivist der Friedensbewegung war.
