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Bis an die Grenzen des Landes
Video der Konferenz zur Patronin von Stadt und Land mit Professor Andreas Heinz
Auf dem Weg zur Erwählung der Trösterin der Betrübten zur Patronin der Stadt und des Herzogtums Luxemburg
Wir stehen an der Schwelle der Muttergottes-Oktave. Es ist dieses Jahr keine Oktave wie jede andere. Es ist die Wallfahrt zur Trösterin der Betrübten im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit und es ist eine Jubiläumsoktave: Vor 350 Jahren hat Luxemburg Maria unter dem Titel „Consolatrix Afflictorum – Tréischterin am Leed” zur Stadtpatronin erwählt. So wird die Oktave 2016 eine marianische Hoch-Zeit werden mit besonderem Profil und besonderem Glanz. Sogar der Papst nimmt daran teil, zwar nicht in eigener Person, aber durch seinen Sondergesandten. Papst Franziskus hat diese Mission dem Kardinal von Köln, Rainer Maria Woelki, anvertraut, der am 1. Mai die besondere Botschaft des Papstes überbringen wird.
Der Grund, weshalb Erzbischof Jean-Claude Hollerich und die Verantwortlichen der katholischen Kirche in Luxembug der diesjährigen Oktave ein besonderes Relief geben wollen, wurde schon genannt. Es ist die Erwählung der Trösterin zur Stadtpatronin Luxemburgs am 10. Oktober 1666. [1] Ich kenne kein Ereignis, das 350 Jahre später so aufwändig und festlich kommemoriert wird wie dieses. Wer kennt heute noch den Namen des Papstes, der damals an der Spitze der Kirche stand? Es war Alexander VII. (1655-1667). Selbst die königsfrömmsten Royalisten in Frankreich organisieren in unseren Tagen keine Feiern zu Ehren des Sonnenkönigs von Versailles, der damals von ganz Europa angehimmelt wurde, König Ludwig XIV. (1661-1715). Vor seiner aggressiven Expansionspolitik haben seine Nachbarn gezittert, nicht zuletzt Luxemburg. Diejenigen, die damals das Sagen hatten, sind lange vergessen. Aber was vor 350 Jahren in der Stadt Luxemburg geschah, ist noch immer in frischer Erinnerung. Dieses Ereignis zieht – besonders in diesem Jubiläumsjahr – seine Kreise bis an die Grenzen des Landes.
Wenn von den Grenzen des Landes die Rede ist, denken die Luxemburger von heute unwillkürlich an ihr Ländchen, an das nach drei Amputationen klein gewordene Großherzogtum. Es ist das Kernland des alten Herzogtums. Die Grenzen des Landes verlaufen heute durch die Täler der Our, Sauer und Mosel. Sie reichen nicht mehr bis Diedenhofen beziehungsweise Thionville, bis Longwy, Arlon (Arel) und Bastogne. Seit Luxemburg um die Mitte des 19. Jahrhunderts endgültig seine Souveränität in den heutigen Landesgrenzen erlangt hat, ist die Verehrung der Stadt- und Landespatronin mehr denn je zu einer nationalen Andacht geworden. Sie schließt die Menschen aus den Regionen des selbstständigen Großherzogtums und heutigen Erzbistums unter dem Schutzmantel der Trösterin eng zusammen und lässt sie besonders in schweren Zeit fest zusammenstehen.
Es ist verständlich, aber doch auch bedauerlich, dass die Luxemburger Historiker, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ihre Recherchen und Darstellungen in einer stillschweigenden Selbstbeschränkung gewöhnlich an den heutigen nationalstaatlichen Grenzen Luxemburgs enden lassen. Als Maria zur Patronin der Stadt erwählt wurde, waren die Areler und die Leute von Bostogne, die Neuerburger und die Bürger von Bitburg auch noch Luxemburger, nicht weniger als die Bewohner von Echternach, Remich oder Diekirch. Wir müssen deshalb das Ereignis von 1666 – und das gilt erst recht für die 12 Jahre später erfolgte Landesweihe vom 20. Februar 1678 [2] – in den größeren Rahmen des alten Herzogtums hineinstellen. Auch die heute jenseits der modernen Grenze liegenden altluxemburgischen Gebiete waren von jenem Ereignis tangiert. Auch sie haben ihre Bausteine eingefügt in das Heiligtum der Patrona Civitatis et Patriae Luxemburgensis.
Was vor 350 Jahren geschah, war ein Gipfel-Ereignis in der Geschichte des Luxemburger Landes. Gipfel-Ereignisse fallen nicht vom Himmel. Gipfel und Wipfel gibt es nur, wenn tiefe Wurzeln den Baum tragen. Der Erwählungsakt vom 10. Oktober 1666 wurzelte tief im Mutterboden des damals neu erstarkten Katholizismus nach dem Reformkonzil von Trient (1545-1563). In Frontstellung zum Protestantismus wurde im Zeitalter der Konfessionalierung auf katholischer Seite die Marienfrömmigkeit stark betont. Luxemburg stand damals unter spanischer Herrschaft. König Philipp II. (1556-1598) trat energisch für die katholische Sache ein. [3] Diese Linie setzte seine Lieblingstochter Isabella († 1633), die mit Albert, dem Erzherzog von Österreich, verheiratet war, unbeirrt fort, als die beiden von Brüssel aus als Generalstatthalter der Niederlande auch das Herzogtum Luxemburg regierten. Die Marienverehrung des frommen Herrscherpaares zeigte sich vor allem darin, dass sie den Wallfahrtsort Scherfenheuvel oder Montaigu in Brabant auszeichneten und förderten. Alljährlich pilgerten sie dorthin. Sie ließen über dem dortigen Gnadenbild, einer aus Eiche geschnitzten Statue der Muttergottes mit dem Jesuskind, die barocke Rundkapelle gleichsam als prächtigen Schrein für das nach spanischer Art bekleidete Gnadenbild errichten. Montaigu war nicht ohne Einfluss auf die spätere Luxemburger Andacht zur „Trösterin der Betrübten”, auch wenn der Wallfahrtsort jenseits der Grenzen des Herzogtums Luxemburg und der Grafschaft Chiny lag.
Auch innerhalb dieser Grenzen gab es alte Verehrungsstätten der Mutter Jesu, die in nachtridentinischer Zeit neu aufblühten. Denken wir an die Giersterklause bei Rosport im Sauertal, an die „schwarze Notmuttergottes” in Luxemburg-Grund, an die Marienkapelle von Vianden, vor allem aber an Avioth im heute französischen Lothringen. Das dort verehrte spätmittelalterliche Marienbild trägt den Titel „Souveraine du Luxembourg”. Es steht mit diesem Titel noch immer im Chor der gotischen Kathedrale, die, wie vom Himmel gefallen, inmitten der wenigen Bauernhäuser und Gehöfte majestätisch aufragt. Nach dem „Pyrenäischen Frieden” von 1659 wurden Avioth und das Umland von Luxemburg abgetrennt und Frankreich zugeschlagen. Man hat vermutet, der Verlust von Avioth mit seinem Kult der „Souveraine du Luxembourg” habe die Jesuiten in Luxemburg bewogen, gleichsam als Ersatz die Erhebung der „Trösterin der Betrübten” zur Stadtpatronin von Luxemburg zu betreiben. Mgr. Jean Hengen, der frühere Erzbischof und ein kompetenter Kenner der Luxemburger Wallfahrtsgeschichte, war der Meinung, dass der Stadtmagistrat diese „Lücke” 1666 habe schließen wollen. [4] Doch die Voraussetzung dieser Annahme, dass nämlich die neue Grenze von 1659 den Luxemburgern den Zugang nach Avioth erschwert, ja geradezu „unmöglich” gemacht hätte, trifft nicht zu. Avioth blieb weiterhin ein Pietätszentrum für die ganze Region. Zu beachten ist auch, dass die neuen politischen Grenzen keine Auswirkungen auf die kirchliche Gliederung hatten. Avioth und sein Umland gehörten weiterhin – wie der größte Teil des Herzogtums Luxemburg – zum alten Erzbistum Trier. [5]
Das Stichwort „Jesuiten” ist gefallen. Daran besteht kein Zweifel: Die Andacht zu Maria, der Trösterin der Betrübten in Luxemburg, ist ein bleibendes Geschenk der Jesuiten an das Land. Die Väter der Gesellschaft Jesu hatten sich 1594 in der Stadt Luxemburg definitiv niedergelassen. [6] Im Geist ihres Stifters, des hl. Ingnatius von Loyola († 1556), waren sie eifrige Marienverehrer. In ihrem Luxemburger Gymnasium errichteten sie nach dem Beispiel anderer Jesuitenkollegien 1604 die Marianische Sodalität. [7] In der Hauskapelle des Kollegs wurde eine Marienstatue aufgestellt, und zwar eine Nachbildung des Gnadenbildes von Montaigu. [8] Verständlicherweise wollten die Jesuiten in der Hauptstadt der südlichsten Provinz der spanischen Niederlande gerade dieses Marienbild bekannt machen und zu Ehren bringen, das dem ihnen sehr gewogenen Herrscherpaar Albert und Isabella so viel bedeutete. Wir brauchen aber hier der Geschichte dieser Marienstatue in der Hauskapelle der Luxemburger Jesuiten nicht weiter nachzugehen. Die Zukunft gehörte einer anderen, aus Lindenholz geschnitzten Marienstatue, deren Herkunft bis heute nicht restlos geklärt ist. Es ist das heutige Gnadenbild der Consolatrix Afflictorum in der Kathedrale. Inmitten des prächtigen Oktavaltars wird es vom vierten bis sechsten Ostersonntag wieder im Zentrum der zweiwöchigen Marienwallfahrt stehen.
Es ist allgemein bekannt, wie es angefangen hat mit dieser Wallfahrt. [9] Am 8. Dezember 1624, dem Fest Mariä Empfängnis, führte der aus Diedenhofen beziehungsweise Thionville stammende Jesuitenpater Jaques Brocquard eine Prozession von Schülern des Kollegs vor die Festungsmauern der Stadt. Sodalen der Marianischen Kongregation trugen eine Statue der Immaculata, das heutige Gnadenbild. Die Statue wurde am Fuß eines Kreuzes aufgestellt, das wenige Wochen zuvor dort errichtet worden war. Der Bildstock in Stadtnähe wurde von vielen aufgesucht. Schon im folgenden Jahr begann man auf Drängen P. Brocquards SJ mit dem Bau einer Kapelle. [10] Ihre Fundamente wurden kürzlich wiedergefunden. Die Präsenz hoher geistlicher und weltlicher Persönlichkeiten bei der Grundsteinlegung [11] zeigt, wie diesem Vorhaben von Anfang an ein expansives Potential innewohnte, das bis an die Grenzen des Landes reichte. Die ersten Steine legten die beiden anwesenden Äbte, Abt Pierre Roberti von der Münsterabtei, und Abt Johann Agritius Reckingen von St. Maximin in Trier, der als das Haupt des luxemburgischen Klerus angesehen wurde. Die Spitze des Adels repräsentierte Graf de Belaymond, der damalige Gouverneur des Herzogtums (1604-1626). Anwesend war auch Graf Philipp Dietrich von Manderscheid-Oberkail aus der luxemburgischen Eifel. Nimmt man den Initiator der Unternehmung, Pater Brocquard aus Thionville, hinzu, sehen wir, wie von Anfang an alle Teile des Landes ihren Stein eingefügt haben in das werdende Heiligtum der „Trösterin der Betrübten” auf dem Glacis-Feld. Die Marienkapelle wurde, wie Dompropst Professor Georges Hellinghausen jüngst treffend gesagt hat, zu einem „mythischen Ort”. Sie war bis zu ihrer Profanierung und Zerstörung infolge der Französischen Revolution nahezu zwei Jahrhunderte lang die Heimstatt des Gnadenbildes der Trösterin. Am 10. Mai 1628 hatte der Trierer Weihbischof Georg von Helffenstein (1599-1632) [12] die Kapelle eingeweiht. Derselbe Weihbischof, als Germaniker ein Jesuitenschüler, hatte sieben Jahre zuvor auch die neu erbaute Jesuitenkirche, die heutige Kathedrale, konsekriert. Bei der Einweihungsfeier der Marienkapelle wird gewiss daran erinnert worden sein, dass die erste heilige Messe schon am 5. August des Vorjahres, am Fest „Maria Schnee” 1627, vor dem Bild der Consolatrix dort gefeiert worden war. Darin hatte P. Brocquard seinen Dank öffentlich der Mutter Jesu dargebracht, weil sie ihn – davon war er fest überzeugt – in der Todesgefahr der Pesterkrankung, die auch ihn im Jahr zuvor befallen hatte, gerettet hatte.
In dieser Zeit großer Not bekam die Kapelle auf dem Glacis und das dort verehrte Gnadenbild auch seinen Namen. Darüber liest man in dem von den Luxemburger Jesuiten herausgegebenen „Mirakelbuch”. [13] „Derohalben haben die Patres rathsam eracht, der Capell zu geben den Nahmen Unser Lieben Frawen der Trösterin/damit das volck in allen seinen nöthen/kranckheiten und beschwerden ein tröstlich artzney und beystandt daselbst finden könnte/wie es dann wircklich geschehen durch Gottes gnad und seiner Heiligen Mutter/denen deßhalben danck und lob sey in ewigkait.”
Zum Ruhm der neuen Marienwallfahrt werden in dem genannten Büchlein alle Gebetserhörungen und Krankenheilungen beschrieben. Es fällt auf, dass alle „Wunderwerck” der Trösterin, die in dem Jahrzehnt zwischen der Einweihung der Kapelle und ihrer Vergrößerung im Jahre 1640 registriert wurden, sich – mit nur einer Ausnahme – alle an Hilfesuchenden aus der Stadt Luxemburg ereignet haben. Das zeigt, dass die Verehrung der Trösterin der Betrübten in jenen Jahren hauptsächlich eine Sache der Einwohner der Festungsstadt blieb. Dort war diese Andacht aber nicht bloß eine Sache der Alten, Gebrechlichen, Kranken, Hoffnungslosen und Verzweifelten. Die neue Andacht fand auch ein Echo in den Herzen der jungen Leute. Denken wir daran, dass es Schüler und Studenten des Jesuitenkollegs waren, welche die Immaculata-Statue am 8. Dezember 1624 zu ihrem Verehrungsort vor die Festungsmauern der Stadt getragen haben. Es war zudem die weibliche Jugend Luxemburgs in der Schule der Schwestern der „Congrégation de Notre Dame”, die bewusst die Andacht zur Trösterin pflegten. Patres der Gesellschaft Jesu waren bei den Schwestern, die von der Familie Wiltheim aus Lothringen nach Luxemburg gerufen worden waren, als Seelsorger tätig. Einer von ihnen, der aus Irland stammende Dominikus Nugent, ließ in Köln ein Liederbüchlein drucken. [14] Er widmete es der „edlen und lieben Jugendt” der Stadt Luxemburg, namentlich den von den Schwestern der „Kongregation” betreuten Mädchen. In dem erwähnten Liederbuch gibt es zwei eigens zur Verehrung der Trösterin gedichtete Gesänge, ein deutsches und ein lateinisches Lied. Über dem lateinischen Gesang steht die Überschrift: [15] „Ad S. Mariam, matrem Jesu, Consolatricem Afflictorum Luxemburgensem – Zur heiligen Maria, der Mutter Jesu, der Trösterin der Betrübten zu Luxemburg”. Wir dürfen uns vorstellen, dass die Schülerinnen der „Congrégation de Notre Dame” diesen Mariengruß „Salve mater gratiosa – Sei gegrüßt, du Gnadenmutter” in der Glaciskapelle mehr als einmal gesungen haben. Das Lied kam zu unerwarteten Ehren und zu einer weltweiten Bekanntheit, als es 1987 zur Hymne des 17. Marianischen Weltkongresses in Kevelaer erklärt wurde. [16] Auf Deutsch lautet die Consolatrix-Strophe, es ist die dritte: [17]
Jungfrau, woll’ uns gnädig sein.
Engel dienend dich begleiten,
singen von der Milde dein.
Frau voll Güte,
uns behüte.
Zeig’ dich allen wunderbar.
Schaden wende,
Segen spende
Deinen Dienern immerdar.”
Ein bekannter Spruch sagt: Wer die Jugend hat, hat die Zukunft! Die Verwurzelung der Marienfrömmigkeit in den Herzen der jungen Menschen war eine zukunftsweisende Investition im Hinblick auf die marianischen Gipfel-Ereignisse von 1666 und 1678.
Die Frage stellt sich: Blieb die Verehrung der Trösterin in diesen frühen Jahren auf die Stadt beschränkt, oder hat sie schon damals ausgestrahlt bis an die Grenzen des Landes?
Wir hatten gesehen, dass bei der Grundsteinlegung der Gnadenkapelle die höchsten Repräsentanten des Herzogtums zugegen waren. Aber die von den Jesuiten bis 1639 protokollierten Gnadenerweise in der Glacis-Kapelle betrafen mit einer Ausnahme nur Bittsteller aus der Stadt. Die Kunde von der neuen Wallfahrt war um diese Zeit tatsächlich aber auch schon in die entlegeneren Landesteile gedrungen. Das geschah zunehmend, als die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges Luxemburg heimsuchten. [18]
Das Herzogtum war bis um die Mitte der 30er Jahre vom Kriegsgeschehen, das bekanntlich 1618 begonnen hatte, einigermaßen verschont geblieben. Damit war es vorbei, als Graf Christoph von Embden, Gouverneur von Luxemburg, am 23. März 1635 die von den Franzosen besetzte Stadt Trier angriff und nach blutigen Straßenkämpfen eroberte. Frankreich erklärte wenig später Spanien den Krieg. Brüssel konfrontierte in der Folgezeit den Provinzialrat in Luxemburg pausenlos mit immer höher geschraubten Kriegskontributionen. Diese drückenden Steuern in der ärmsten Provinz der Niederlande einzutreiben, wurde fast gänzlich unmöglich, seit eine Unmenge von Soldaten sich im Land breitmachte. Kaiser Ferdinand II. hatte den verbündeten Spaniern Truppen zur Verteidigung des Landes gegen französische Einfälle geschickt. Im Winter 1635/36 kamen 8000 „Polacken”, wie die Quellen sie nennen, dazu noch viele Kroaten und Söldner anderer Nationalitäten. Sie blieben auf Distanz zu den Franzosen, drangsalierten dagegen die einheimische Bevölkerung, die sie an sich beschützen sollten. Die Kaiserlichen trieben es schlimmer als die schlimmsten Feinde. In wiederholten Eingaben schilderte der Provinzialrat den Verantwortlichen in Brüssel das unsägliche Leid der Bevölkerung. Man bettelte förmlich um den Abzug der fremden Soldaten – vergeblich.
Wir sind heute zu Recht entsetzt über die Gräueltaten der islamistischen Terroristen in Libyen, im Jemen, in Syrien und im Irak. Was 1636 im Luxemburger Land Christen Christen angetan haben, war nicht weniger grauenhaft. Wenn es hieß: „Soldaten sind im Anmarsch!” flohen die Leute mit ihrem Vieh und ihren Habseligkeiten in die nächste befestigte Burg oder in dichte Wälder. Die Soldaten raubten und plünderten, was ihnen in die Hände fiel. Sie steckten die leeren Dörfer in Brand. Nach dem Motto: „Der Krieg ernährt sich selbst” erpressten sie von den Bauern nicht nur das Futter für ihre Pferde, sondern nahmen ihnen auch mit brutaler Gewalt das Vieh aus dem Stall, die Schafe von der Weide, das letzte Korn vom Speicher und den Rest Heu aus der Scheune. Selbst die Zugtiere nahm man den Leuten weg, so dass die Felder nicht bestellt werden konnten. Die „Polacken” und Kroaten praktizierten die schrecklichsten Folterungen, wenn sie Wertsachen suchten. Es verschlägt einem die Sprache, wenn man in den offiziellen Berichten des Provinzialrates nach Brüssel liest: Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt, Bauern in Schornsteinen aufgehängt, bis sie im Rauch erstickten, die Leute wurden mit Knüppeln und Spießen traktiert, Körperteile wurden ihnen abgeschlagen, durchstochen oder mit glühendem Eisen verbrannt. Menschen wurden regelrecht am offenen Fenster „gegrillt”; man hat Gefesselten ein durchlöchertes Kuhhorn in den Mund gesteckt und dann heißes Wasser oder Jauche hineingegossen. Wir wollen uns die Schilderung weiterer Unmenschlichkeiten ersparen. Noch Jahrzehnte später hat man im Luxemburger Land mit Schauder vom „Kroatenwesen” gesprochen.
Als ob der Leiden noch nicht genug gewesen wären, kam im Winter 1635/36 die schlimmste Pestepidemie hinzu, die Europa je gesehen hatte. Der Schwarze Tod wütete vom Rhein bis zum Atlantik. In Luxemburg starben ganze Dörfer aus. Von Mai bis Oktober erlagen der Seuche in der Münsterabtei Abt Peter Roberti, sechs Mönche, drei Laienbrüder und ein Novize. [19] In einem Bericht aus Bettenburg lesen wir: [20] Infolge der in den Grenzen dieses Landes eingerissenen Sterblichkeit ist im Dorf Bettenburg und in der Pfarrei Abweiler kein Kirchensehner am Leben geblieben (davon gab es in der Regel pro Pfarrei sieben); der Pastor Nikolaus Masius aus Echternach hat sich wegen der desolaten Zustände nach Luxemburg salviert. Der Bevölkerungsverlust war enorm. Aus Küntzig (Clémancy) hören wir, dass es dort in normalen Zeiten 40 abgabenpflichtige Häuser gab. Doch infolge der Grausamkeiten der Soldaten und der Pest war das Dorf 18 Jahre lang völlig menschenleer geblieben; die Felder lagen brach. [21]
Im Herbst 1636 ließ das große Sterben in der Stadt Luxemburg nach. Ein besonders trauriges Nachspiel blieb: Das waren die vielen Kinder, deren Eltern Opfer der Pest geworden waren und die nun mittellos und ausgehungert in den Straßen vegetierten. Der Provinzialrat suchte sie bei Pflegeeltern unterzubringen, wo sie leider oft nichts Gutes erwartete.
Weil keine irdische Instanz imstande war, dieses grenzenlose Leid zu lindern und zu mindern, suchten die Menschen Hilfe von oben. Im Pestjahr 1636 gab ein Luxemburger Jesuit mit großem Erfolg ein Büchlein heraus, das den hl. Hadrian als kräftigen Helfersheiligen gegen die Pest empfahl. [22] Aber auch die „Trösterin der Betrübten” in der Glacis-Kapelle wird in jenen Wochen und Monaten eine Zuflucht für viele gewesen sein. Nicht nur für die Bewohner der Stadt, nein, bis an die Grenzen des Landes.
Das beweist die Marienkapelle bei Dasburg an der Our. [23] In diesem romantischen Dorf an der heutigen deutsch-luxemburgischen Grenze lebte damals auf der Burg der Kastellan und oranische Rentmeister Jakob Biwer. Er war verheiratet mit Susanna, einer geborenen Wiltheim. Es war die gleiche stadtluxemburgische Familie, die sich die größten Verdienste um die Andacht zur Trösterin erworben hat. Zwei Jahre nach der großen Pestepidemie ließ das Ehepaar Biwer-Wiltheim auf einem Felsen über Dasburg eine Marienkapelle errichten, und zwar „pro avertenda peste – zur Abwehr der Pest”. Allem Anschein nach ahmte der Rundbau dieser Marienkapelle die Rotunde des Luxemburger Heiligtums der Trösterin nach. Ähnliches beobachten wir in Oberkail. Der Ort liegt im heutigen Kreis Bitburg-Prüm. Er war der Residenzort der Grafen von Manderscheid-Kail. Wir hatten gesehen, dass Graf Philipp Dietrich von Manderscheid-Kail (1613-1653) bei der Grundsteinlegung der Glacis-Kapelle anwesend war. Der Graf wurde, nachdem Graf Embden an der Pest gestorben war, am 23. März 1636 zum Gouverneur des Herzogtums Luxemburg ernannt. Als solcher hat er sich allerdings nicht besonders pflichtbewusst und ehrenvoll verhalten. Er hat sich bald abgesetzt. Der Gouverneur ließ Stadt und Land im Stich und zog sich auf sein Schloss in Oberkail zurück, wo er versuchte, seine Besitzungen gegen Freund und Feind zu sichern. Wahrscheinlich hat ihn auch die Angst vor der Pest die Flucht aus der Stadt ergreifen lassen. Bezeichnend ist jedenfalls, dass er wenig später auf einem Hügel oberhalb seines Residenzortes eine Kapelle errichten ließ. [24] Der Zentralbau war höchstwahrscheinlich dem Rundbau der Glacis-Kapelle in Luxemburg nachempfunden. Kapellenpatronin wurde Maria, allerdings unter dem Titel „Mater dolorosa – Schmerzensmutter”; als Nebenpatrone kamen hinzu die Pestheiligen Sebastian und Rochus sowie, was besonders auffällt, Hadrian und seine Tochter Natalia, also gerade jener Heilige, der als besonders kräftiger Helfer gegen die Pest 1636 von einem Luxemburger Jesuiten empfohlen worden war. Das Hadriansfest am 8. September wurde in der Folgezeit sogar zum Hauptfest der Kapelle und der Hügel erhielt den Namen Adriansberg. [25] Heute ist die Frohnert-Kapelle ein stimmungsvolles Marienheiligtum. Als ich dort das erste Mal die allwöchentliche Pilgermesse feierte, hörte ich zu meiner Verwunderung und Freude die Leute am Ende das Luxemburger Oktave-Lied „Wie unsre Väter flehten zu dir, o Trösterin!” singen.
In Kevelaer am Niederrhein ist ein 1642 dorthin gebrachtes Andachtsbildchen der Trösterin zum Ausgangspunkt der bekannten, bis heute blühenden Marienwallfahrt geworden. Doch Kevelaer liegt außerhalb der luxemburgischen Landesgrenzen und soll deshalb hier unberücksichtigt bleiben. Innerhalb der Grenzen des alten Herzogtums liegt aber ein weiteres frühes Tochterheiligtum der „Trösterin der Betrübten”. Es ist die Marienkapelle über dem Dorf Igel bei Wasserbillig. [26] Sie wurde 1653 bewusst nach dem Vorbild der Glacis-Kapelle erbaut und am 29. September des genannten Jahres von dem damaligen Trierer Weihbischof Otto von Senheim (1633-1662) [27] eingeweiht, und zwar zu Ehren „der allerheiligsten Jungfrau Maria, der Trösterin der Betrübten”. Die in der Kapelle aufgestellte Marienstatue war eine Nachbildung des Luxemburger Gnadenbildes.
Als diese Igeler Wallfahrtskapelle entstand, hatte das Luxemburger Heiligtum sein Aussehen schon verändert. 1640 war die Kapelle durch den Anbau eines rechteckigen Schiffes erweitert worden. Das dürfte mit dem plötzlichen Anstieg des Pilgerzustroms zusammenhängen. Im September 1639 hatte sich nämlich eine aufsehenerregende Heilung ereignet. [28] Sie war einer der ersten Familien des Landes zuteil geworden. Johanna, die Tochter von Adrian Goudius, dem Generalprokurator des Luxemburger Provinzialrates, war stumm. In der Gnadenkapelle löste sich während der Wandlung in der Messe, der das Mädchen beigewohnt hatte, seine Zunge und es konnte plötzlich sprechen. Seine ersten Worte waren „Jesus” und „Maria”. Von diesem Ereignis sprach man bis an die Grenzen des Landes. Nun kamen die Pilger aus allen Teilen des Herzogtums. Die Kapelle wurde vergrößert. Weihbischof Otto von Senheim weihte den Neubau am 5. Juli 1640. Vom Anfang jenes Jahres bis zum September ließen die Jesuiten als Hüter des Heiligtums nicht weniger als 34 Gebetserhörungen oder „Wunderwerck” notariell beglaubigen. Die Geheilten kamen nun nicht mehr bloß aus der Stadt, sie kamen aus Orten des ganzen heutigen Großherzogtums, etwa aus Bourscheid, Consthum, Echternach, Grevenmacher, Körich, Medernach, Schüttringen, Wasserbillig, aber auch aus der luxemburgischen Eifel, [29] etwa aus der Stadt Neuerburg, aus Kruchten bei Neuerburg in der Grafschaft Vianden, aus Ferschweiler, Peffingen, Schankweiler oder aus Metzdorf an der Sauer, selbst aus der Stadt Trier und aus Piesport an der Mittelmosel. Die Annalen des Luxemburger Heiligtums nennen in den folgenden Jahren weitere Ortschaften: Bollendorf, Ouren, Lambertsberg bei Waxweiler, Gindorf bei Kyllburg, auch Orte aus der Gegend um Münstereifel, wo die Jesuiten eine Niederlassung hatten und die Luxemburger Wallfahrt bekannt machten. In den Annalen des dortigen Jesuitenkollegs wird 1641 berichtet, [30] die Verehrung der Mutter Jesu habe merklich zugenommen „durch ein Büchlein über die Wunder der luxemburgischen Muttergottesstatue, das verschiedenen Ordenshäusern und Sodalitäten zum Lesen gegeben wurde”. Manche seien dadurch bewegt worden, „die so wundersame Kapelle (in Luxemburg) zu besuchen”. Die Jesuiten in Neuß am Niederrhein vermittelten Bittstellern Wachs von den Kerzen, die im Heiligtum der Trösterin in Luxemburg gebrannt hatten. Es befreite angeblich von Kopfschmerzen und vertrieb das Fieber. Pilger nahmen als Heilmittel nicht nur das Wachs der Altarkerzen, sondern auch Öl aus den Ampeln oder Blütenblätter vom Altarschmuck mit nach Hause.
Zur Verwurzelung der Luxemburger Marienandacht bis an die Grenzen des Landes trug nicht zuletzt die Gründung einer Bruderschaft unter dem Titel „Mutter Jesu, Trösterin der Betrübten” bei. [31] Der Stifter der Wallfahrt und erste Direktor der Gnadenkapelle, P. Jacques Brocquard SJ, rief diese Bruderschaft 1651 ins Leben. Von den Bruderschaftsmitgliedern wurde erwartet, dass sie in der Wohnung ein Bild der Trösterin anbrachten und davor die täglichen Gebete verrichteten. An allen hohen Herren- und Marienfesten sollten sie beichten und kommunizieren. Sie sollten ein „Agnus Dei” bei sich tragen sowie einen Rosenkranz und eine Medaille mit dem Bild der Trösterin besitzen. Die Weihe an die Trösterin sollte alljährlich erneuert werden, im Idealfall vor dem Gnadenbild in Luxemburg. Pater Brocquard starb am 14. April 1660. Die Erwählung der Trösterin zur Patronin der Stadt hat er also nicht mehr erlebt.
Die Statuten der erwähnten Bruderschaft [32] regten an, ganze Ortschaften sollten geschlossen Maria, die Trösterin der Betrübten, zu ihrer Schutzpatronin erwählen. Solche kollektiven Marienweihen hatte es in den spanischen Niederlanden schon zuvor gegeben, etwa 1622 in Namur, 1634 in Lille und 1656 in Arlon. Es gab also Vorbilder für das, was in Luxemburg am 10. Oktober 1666 geschah. Das Gipfel-Ereignis fiel nicht unverhofft aus den Wolken.
Dunkle Wolken lagen indes in jenen Jahren über dem Land. Neue Kriegsgefahr drohte. Infolge des Friedensschlusses zwischen Spanien und Frankreich hatte Luxemburg 1659 weite Teile im Süden und Westen des Landes an Frankreich abtreten müssen. Von diesen nunmehr französischen Gebieten um Diedenhofen/Thionville, Montmédy und Damvillers aus bedrohten nun die Armeen des Sonnenkönigs Ludwig XIV. die Festungsstadt Luxemburg. Auch die Pest kam wieder. 1666 forderte der Schwarze Tod in der Grafschaft Vianden viele Opfer. Angesichts dieser Heimsuchungen ergriff P. Alexander Wiltheim, [33] der nach dem Tod von P. Jacques Brocquard die Leitung der Wallfahrtskapelle übernommen hatte, die Initiative. Im September 1666 ersuchte er den Gouverneur, den Präsidenten und die Mitglieder des Provinzialrates, Maria zur Patronin der Stadt Luxemburg zu erwählen. Diese Erwählung sollte die Dankbarkeit der Bevölkerung wegen der ihr auf die Fürsprache der Trösterin der Betrübten zuteil gewordenen Wohltaten ausdrücken. Pater Wiltheim erinnerte besonders daran, dass die Stadt in den früheren langen Kriegsjahren nie von den Feinden eingenommen und geplündert worden war. Die Weihe sollte zugleich eine Bitte an die himmlische Patronin sein, auch in Zukunft Luxemburg ihr Wohlwollen zu zeigen, die Stadt beim katholischen Glauben zu erhalten und vor allem Unheil zu beschützen.
Der Antrag wird die Autoritäten nicht überrascht haben. Der ältere Bruder des Direktors der Glacis-Kapelle, Eustachius Wiltheim, war nämlich damals Präsident des Provinzialrates. Er teilte seinem jüngeren Bruder Alexander am 27. September die Zustimmung des Gouverneurs und des königlichen Rates mit. Richter [34] und Schöffen der Stadt stimmten am 5. Oktober zu. Am 10. Oktober wurde in der Jesuitenkirche, der heutigen Kathedrale, vor der eigens dorthin übertragenen Statue der Consolatrix Afflictorum feierlich der Erwählungsakt vollzogen. Der Prediger sprach die Weiheformel vor, die von den Repräsentanten der Stadt nachgesprochen wurde:
„Heilige Maria, Mutter Jesu, Trösterin der Betrübten! Wir Gouverneur, Präsident, Rat, Richter und Schöffen samt allen Bürgern und Einwohnern dieser Stadt Luxemburg, erwählen dich heute in unserer und unserer Nachkommen Namen zu unserer Gebieterin und Schutzfrau.”
Die Trösterin empfing am 10. Oktober des folgenden Jahres bei der Erneuerung der Weihe eine goldene Nachbildung des Festungs-Schlüssels als Ausweis ihres bleibenden Patronats über die Stadt. Dargereicht wurde der goldene Schlüssel, der bis heute das Gnadenbild schmückt, vom Prinzen von Chimay, dem damaligen Gouverneur des Herzogtums. [35] Fortan zeigen alle Darstellungen die „Luxemburger Muttergottes” mit dem charakteristischen Schlüssel-Attribut.
Wir können dieses Kapitel über das marianische Gipfel-Ereignis von 1666 nicht schließen ohne vorauszuschauen auf das zweite Gipfel-Ereignis, das die Verehrung der Trösterin der Betrübten endgültig zu einer Sache bis an die Grenzen des Landes gemacht hat: die Landesweihe von 1678. [36] Sie wurde, wie die Erwählung der Consolatrix zur Stadtpatronin, vorbereitet von Pater Alexander Wiltheim SJ, dem damaligen Direktor der Glacis-Kapelle. Angesichts der akuten Bedrohung Luxemburgs durch die Truppen des französischen Königs Ludwig XIV. beschlossen die versammelten Landstände des Herzogtums am 6. Oktober 1677 Maria, die Trösterin der Betrübten, zur Landespatronin zu erwählen. Der feierliche Erwählungsakt wurde am 20. Februar 1678 vor dem Gnadenbild in der heutigen Kathedrale vollzogen. Die damals ausgefertigten drei Pergamenturkunden mit dem Siegel der 17 beteiligten Städte sind erhalten. Auf zwei Exemplaren lesen wir die Namen der heute zu Belgien in der Province de Luxembourg gehörenden Städte. Ein weiteres Exemplar haben die Vertreter der Städte des sogenannten deutschen Quartiers unterschrieben: [37] Remich, Grevenmacher, Echternach, Vianden, aber auch Bitburg, Neuerburg und St. Vith.
Die Bevölkerung stand hinter dieser Entscheidung der Stadtmagistrate. Dafür hatten vor allem die Volksmissionare des Luxemburger Jesuitenkollegs gesorgt. Ihr herausragender Pionier war Pater Philipp de Scouville, den man später den Vater der Christenlehrbruderschaften genannt hat. Zu Fuß durchquerte er alle Gegenden Luxemburgs und errichtete in vielen Mittelpunktorten die „Bruderschaft Jesu und Mariae von der christlichen Lehr”. [38] Diese Christenlehrbruderschaften wurden zu Heimstätten der Verehrung der Trösterin. Ein Jahr nach der Erwählung der Trösterin zur Stadtpatronin, 1667, ließ P. Scouville sein Bruderschaftsdirektorium in Trier drucken. Darin hielt er die Pfarrer an, die Bruderschaftsmitglieder zu einer besonderen Verehrung „der allerdings unbefleckten Mutter der Gnad und der Barmherzigkeit, aller trübseligen Menschen liebreiche Trösterin Mariam” hinzuführen. [39]
Im gleichen Jahr gründete P. Philipp de Scouville in Alsdorf bei Echternach in der luxemburgischen Eifel eine zentrale Christenlehrbruderschaft für die Pfarreien des unteren Nimstals. [40] Es folgten in den folgenden Jahren Gründungen in Waxweiler (1669), Bettingen an der Prüm (1670) [41] und Seffern (1671). Im Umkreis der Landesweihe könnten wir fast alle Pfarreien des Bitburger Landes aufzählen. Ähnliches geschah, wie Josy Birsens SJ gezeigt hat, im wallonischen Teil des Herzogtums. In den Landpfarreien pflegten die Jesuiten Rosenkränze, Heiligenbildchen und Medaillen zu verteilen. Auf diesem Weg wurden zahllose Abbildungen des Luxemburger Gnadenbildes bis an die Grenzen des Landes verbreitet.
Wir stehen an der Schwelle der Jubiläumsoktave 2016. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Kardinal als päpstlicher Gesandter zur Oktave nach Luxemburg kommt. Aber die zahlreichen „Events” dieses Jubiläumsjahres geben der 350. Jahrfeier doch einen besonderen Glanz. Auch das ist ein Novum: Das luxemburgische „Office des timbres” und das Vatikanische Amt für Philatelie und Numismatik werden gemeinsam eine Sondermarke mit dem Bild der Trösterin herausgeben und so das Luxemburger Gnadenbild weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt machen. Vergessen wir auch nicht, dass dieses Jubiläum geradezu providentiell im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit begangen wird. Erzbischof Jean-Claude Hollerich hat in seinem Fastenhirtenbrief darauf hingewiesen. Dort heißt es: „Mir däerfe Maria selwer uruffen un erfueren als Mamm vun der Barmhäerzegkeet, Mater misericordiae. D’Menschen hunn sech deemools ganz besonnesch hirem Schutz an hirer Fürsprooch uvertraut, an si hunn dierfen erfueren, dass d’Tréischterin eis hei zu Letzebuerg begleet an eist Land a seng Awunner emmer ennert hire Schutz hellt.” Vom hl. Augustinus stammt das Wort: „Inter consolationes Dei et tribulationes mundi ambulat ecclesia – Begleitet von den Tröstungen Gottes geht die Kirche ihren Weg mitten durch die Bedrängnisse der Zeit.” Mit der Kirche und damit mit uns geht die Mutter des Herrn. So sagen wir an der Schwelle der diesjährigen Jubiläumsoktave: „Mit Maria unterwegs. Mat dir Patréinesch vu Stad u Land, mat dir, Maria, an eng nei Zäit!”
[1] Von den zahlreichen Veroffentlichungen zu diesem Thema seien auswahlweise genannt: Al. AMHERD, Maria die Trösterin der Betrübten oder Geschichte der Verehrung Marias als der Schutzpatronin der Stadt und des Landes Luxemburg, Luxemburg 1855, 21986; J. MAERTZ, Entstehung und Entwicklung der Wallfahrt zur Trösterin der Betrübten in Luxemburg 1624-1666, in: Hémecht 18 (1966) 7-132; A. HEINZ, Die Wallfahrt zu Maria, der Trösterin der Betrübten in Luxemburg, in: DERS., Liturgie und Frömmigkeit. Beiträge zur Gottesdienst- und Frömmigkeitsgeschichte des (Erz-)Bistums Trier und Luxemburgs zwischen Tridentinum und Vatikanum II, Trier 2008, 107-122. Nachdruck des Beitrags in: Hémecht 46 (1994) 125-139; Fr. RASQUÉ, Te Matrem praedicamus. Oktav-Prediger 1966-1996, Bd. 1, Luxemburg 1966; J. HENGEN, Unsere Oktave, eine Doppel-Oktave, in: Dossier. Kirchlicher Amtsanzeiger Luxemburg 2/1994, 56-64.
[2] Vgl. M. SCHMITT, Die Erwählung Marias zur Landespatronin im Jahre 1678, in: Hémecht 30 (1978) 161-183; A. HEINZ, Die Verehrung der Trösterin der Betrübten in den altluxemburgischen Gebieten der Eifel und an der Obermosel, in: Hémecht 30 (1978) 233-258, hier 245-249.
[3] Vgl. L. JUST, Das Erzbistum Trier und die Luxemburger Kirchenpolitik von Philipp II. bis Joseph II., Leipzig 1931.
[4] Vgl. J. HENGEN, Die Oktave, eine nationale Andacht, in: Dossier. Kirchlicher Anzeiger Luxemburg 5/1995, 82- 87, hier 83.
[5] Vgl. etwa die Visitationsakten des Archivdiakonats Longuyon: J. B. KAISER, Das Archidiakonat Longuyon am Anfang des 17. Jahrhunderts. Visitationsbericht von 1628-1629, 2 Bde., Heidelberg 1928/1929, hier Bd. 1, 178- 181.
[6] Vgl. B. SCHNEIDER, Katholische Reform, Konfessionalisierung und spanische Kirchenpolitik. Zur Entstehung des Luxemburger Jesuitenkollegs zwischen 1583 und 1603, in: Hémecht 46 (1994) 17-36.
[7] Vgl. B. SCHNEIDER, Volksfrömmigkeit, Katholische Reform und die Sodalitäten und Bruderschaften der Jesuiten im Herzogtum Luxemburg im 17. und 18. Jahrhundert, in: Hémecht 46 (1994) 141-163, hier 143-150.
[8] Vgl. HEINZ, Wallfahrt (wie Anm. 1), 109. Zu Montaigu in Brabant vgl. A. BONI, Scherpenheuvel, basiliek en gemeente in het kader van de vaterlandse geschiedenis, Antwerpen 1953.
[9] Vgl. MAERTZ, Entstehung (wie Anm. 1), 53f.; HEINZ, Wallfahrt (wie Anm. 1), 109-111.
[10] Vgl. RASQUÉ, Te Matrem (wie Anm. 1), 23-28. Nach der Zerstörung der ursprünglichen Glaciskapelle infolge der Französischen Revolution im Jahre 1796 wurde die neugotische Kapelle 1884 als Ersatz errichtet; vgl. J. HENGEN, Wie kam es zum Bau der heutigen Glaciskapelle?, in: Dossier. Kirchlicher Amtsanzeiger Luxemburg 5/1995, 87f.
[11] Eine Schilderung der Grundsteinlegung im Luxemburger „Mirakelbuch”; vgl. Wunderwerck und gnadenreiche Handlungen So Vnsere liebe Fraw die Trösterin (…) erzeigt, Trier 21648, 12. Das einzige bekannte Exemplar dieser für die Anfänge der Luxemburger Marienwallfahrt wichtigsten Quelle befindet sich in der Stadtbibliothek Trier (Sign. T 160); vgl. die Beschreibung der Schrift bei MAERTZ, Entstehung (wie Anm. 1), 76-87. Zum Ereignis vgl. auch HEINZ, Verehrung (wie Anm. 2), 236f.
[12] Vgl. W. SEIBRICH, Die Weihbischöfe des Bistums Trier, Trier 1998, 90-95 (Veröffentlichungen des Bistumsarchivs Trier 31).
[13] Vgl. oben Anm. 11, hier S. 14f.
[14] Vgl. A. HEINZ, Zwei vergessene Gesänge zur „Trösterin der Betrübten in einem Jesuitengesangbuch des 17. Jahrhunderts, in: Hémecht 38 (1986) 63-80.
[15] Vgl. ebda, 73f. (lateinischer Text und deutsche Nachdichtung).
[16] Vgl. G. ROVIRA (Hg.), Maria, Mutter der Glaubenden. Dokumentation des Rahmenprogramms zum 17. Marianischen Weltkongreß, Essen 1989, 528.
[17] Ebda; HEINZ, Gesänge (wie Anm. 14), 74.
[18] Vgl. zu den folgenden Ausführungen P. SCHILTZ, Les répercussions de la Guerre de Trente Ans au Luxembourg, in: Hémecht 55 (2003) 137-195, 309-374.
[19] Vgl. ebda, 146.
[20] Vgl. ebda, 150.
[21] Vgl. ebda, 148.
[22] Vgl. ebda, 146: G. HARDIGNY, La vie et les miracles de St Adrian, patron singulier contre la contagion, avec quelques autres petits traites que la page suivante montrera, fort utiles en temps de peste et hors d’icelle, Luxemburg 1636.
[23] Vgl. HEINZ, Verehrung (wie Anm. 2), 242f.
[24] Vgl. E. WACKENRODER, Die Kunstdenkmäler des Kreises Wittlich, Düsseldorf 1934, 240-243; E. RECH u. a., Oberkail. Geschichte eines Dorfes in der südlichen Eifel, Oberkail (Neuerburg) 2001, 65-69 (Graf Philipp Dietrich), 203-210 (Frohnert-Kapelle).
[25] Vgl. A. HEINZ, Eremitagen im trierisch-luxemburgischen Grenzraum als Ziel von Pflichtprozessionen im 18. Jahrhundert, in: Annales de l’Est (Reihe „Les amis de l’histoire”), hg. von J. C. MULLER, Luxembourg 2003, 85-108, hier 97-102 (Frohnert-Kapelle).
[26] Vgl. HEINZ, Verehrung (wie Anm. 2), 244; M. FALTZ, Unsere liebe Frau von Luxemburg im Ausland, Luxemburg 1958, 71-76.
[27] Vgl. SEIBRICH, Weihbischöfe (wie Anm. 12), 96-102.
[28] Vgl. Wunderwerck (wie Anm. 11), 15-22; HEINZ, Wallfahrt (Anm. 1), 111f.
[29] Vgl. HEINZ, Verehrung (wie Anm. 2), 238-242.
[30] Vgl. HEINZ, Wallfahrt (wie Anm. 1) 112f.
[31] Vgl. J. BIRSENS SJ, Die Bruderschaft der Jesuiten in Luxemburg im 17. und 18. Jahrhundert (II), in: Hémecht 49 (1997) 459-506, hier 459-467.
[32] Ebda, 502-504.
[33] Vgl. die biographische Skizze (Lit.) von H. MERTENS, in: Für Gott und die Menschen. Die Gesellschaft Jesu und ihr Wirken im Erzbistum Trier, hg. vom Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum Trier und der Bibliothek des Priesterseminars Trier, Mainz 1991, 349-352 (QAmrhKG 66); zum Vorgang vgl. HEINZ, Wallfahrt (wie Anm. 1), 114-116; RASQUÉ, Te Matrem (wie Anm. 1), 29-36.
[34] Zum Rechtswesen und der Funktion der Richter vgl. E. BANGE, Die Gerichtsbarkeit der Stadt Luxemburg in Mittelalter und Früher Neuzeit, in: Hémecht 67 (2015) 441-454.
[35] Vgl. RASQUÉ, Te Matrem (wie Anm. 1), 36.
[36] Vgl. SCHMITT, Erwählung (wie Anm. 2).
[37] Vgl. HEINZ, Verehrung (wie Anm. 2), 246f.
[38] Vgl. BIRSENS SJ, Bruderschaften (wie Anm. 31), 469-501.
[39] Zit. nach HEINZ, Wallfahrt (wie Anm. 1), 119.
[40] Vgl. B. SCHNEIDER, Bruderschaften im Trierer Land. Ihre Geschichte und ihr Gottesdienst zwischen Tridentinum und Säkularisation, Trier 1989, 121, 214f. (weitere Belege im Register).
[41] Vgl. A. HEINZ, Geschichte der Pfarrei Bettingen an der Prüm, Bd. 1, Bettingen (Neuerburg) 2015, 80-85; zur Verehrung der Trösterin vgl. ebda, 76-79.
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