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Glauben nach Ostern
Kommentar zum 5. Sonntag der Osterzeit von Jean-Jacques Flammang (28.4.2024)
Nicht bei den Toten ist Jesus zu suchen, er ist vielmehr auferstanden und lebt.
Das ist die Erfahrung, welche die Jüngerinnen und Jünger Jesu nach Ostern immer wieder machen: Jesus lebt, und mit ihm bleiben all jene, die an ihn glauben, verbunden.
Um diese neue Verbundenheit zu beschreiben, hat Jesus die ansprechende Bildrede von Weinstock gebraucht. Den Seinen gibt er zu verstehen: « Ich bin der Weinstock, ihr seid die Rebzweige. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht: denn getrennt von mir könnt ich nichts tun. »
« Nichts tun? », damit ist gemeint: nichts wirklich Neues schaffen, denn tun und handeln kann man auch ohne Verbindung zu Jesus. Leider.
Merkmal der Verbundenheit mit Jesus ist die gegenseitige Liebe: « Liebet einander wie ich euch geliebt habe », so lautet das Vermächtnis Jesu. Und seine Liebe zu uns, ist und bleibt Maßstab für all unser Tun und Handeln. Ohne die Liebe kommt nichts zustande, ist keine Auferstehung, ist kein Leben.
« Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte und wenn ich meinen Leib opferte, um mich zu rühmen, hätte ich aber die Liebe nicht, nütze es mir nichts, » kommentiert Paulus in seinem 1. Korintherbrief. Die christliche Liebe nimmt an Christus das Maß, und die Gegenseitigkeit dieser Liebe zu vergessen oder zu missachten, trennt uns von ihm und dem dreifaltigen Gott.
Im Januar dieses Jahres hat Emmanuel Tourpe, einer der bedeutenden Metaphysiker unserer Zeit, ein Buch veröffentlicht, in dem er die großen philosophischen Erkenntnisse der letztem Jahrzehnte zum Thema Liebe neu und einfach zusammenfasst und sie für uns heute weiter entwickelt.
Dabei legt er das Gewicht genau auf die Gegenseitigkeit der Liebe, die seiner Meinung nach, im Laufe der Geschichte zu wenig bedacht wurde, sowohl in der theoretischen Philosophie, als auch in den theologischen Kommentaren der Heiligen Schrift und in der kirchlichen Praxis. Man sehe nur wie Katholiken verschiedener theologischer und politischer Richtungen heute miteinander umgehen.
Aus der von Jesus geforderten und gelebten gegenseitigen Liebe ist Solidarität geworden, Liebe zu den Armen, Dienst am Nächsten, einseitige Hingabe. Und diese Verengung hat den Menschen die wesentlich christliche Dimension der Gegenseitigkeit vergessen lassen. Mit der einfachen Hingabe vergibt sich der Geber in der Gabe. Und hier stellt sich dann die berechtigte Frage, welches Gottesbild vermittelt wird, jedenfalls nicht das des dreifaltigen Gottes, höchstens das eines Plotins oder Meister Eckharts - aber nicht das Bild der anerkannten christlichen Tradition.
« Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe » - also die gegenseitige Liebe - will nicht eine individualistische Hingabe, wie sie allzuoft auch in der Kirche verkündigt und gelebt wurde. Sie will ein Feuer der Gemeinschaft sein, das unter Christen beginnt, weiter brennt zwischen allen Menschen und sogar bereit ist, die Feinde der Christen zu lieben. Gemeinschaft, das heisst: Eucharistie und gegenseitige Liebe nach dem Bilde des dreifaltigen Gottes.
Papst Franziskus erläutert diese Liebe durch die Synodalität, den gemeinsamen Weg aller, den wir aufgerufen sind, miteinander und mit Christus selbst zu gehen, wohlwissend dass getrennt von ihm wir nichts wirklich Menschliches schaffen können.