lb | fr | pt | en | de |
Sind wir gute Winzer im Weinberg des Herrn?
Kommentar zum 27. Sonntag im Jahreskreis von Roger Nilles (04.10.2020)
Was war passiert? Ein Gutsbesitzer legte einen Weinberg an, umzäunte ihn und verpachtete ihn an Winzer, bevor er wegzog. Als die Zeit der Ernte gekommen war, schickte er seine Knechte los, um seinen Anteil an den Trauben abzuholen… Die Winzer gaben den Knechten, was vereinbart war und dem Gutsbesitzer zustand. Den Rest behielten sie für sich und teilten ihn gerecht untereinander auf. Sie dankten dem Herrn für den reichen Ertrag und erfreuten sich an den geernteten Früchten…
So hätte die Geschichte ablaufen können, das tat sie aber nicht.
… Die Winzer aber warfen die Knechte hinaus und brachten einen Teil von ihnen um. Schließlich sandte der Gutsbesitzer seinen eigenen Sohn, doch auch dieser sollte das gleiche Los erleiden…
Irgendwie schon komisch, dass ausgerechnet am Erntedanksonntag das Gleichnis von den Winzern aus dem Matthäus-Evangelium gelesen wird. Die „Ernte“ (oder besser gesagt „Nicht-Ernte“) rückt angesichts der geschilderten Geschehnisse und des unmenschlichen Gebarens der Winzer in den Hintergrund und von „Dank“ kann nun wirklich keine Rede sein. Das Ganze ist ein einziges Desaster. Die Winzer haben offensichtlich schlechte Absichten, packen die Knechte, prügeln einige und steinigen andere – ja, selbst von dem Sohn des Gutsbesitzers lassen sie nicht ab und bringen ihn um. Was haben sie nur aus dem Weinberg gemacht, der ihnen anvertraut worden war, um gute Früchte zu bringen – für sich, für andere, für den Herrn? Und, was ist aus ihnen selbst geworden?
Man könnte dieses Gleichnis allein als eine offensichtliche Kritik an den Hohepriestern und Pharisäern jener Zeit, ja vielleicht noch als eine Mahnung an die Adresse des Volkes Israel oder als Vorwegnahme eines sich anbahnenden tragischen Ereignisses (Die Bauleute haben den Eckstein verworfen) abtun und zur Tagesordnung übergehen, aber damit würden wir nur der zentralen Frage, die sich damals wie heute stellt, ausweichen: Was machen wir aus dem, was Gott uns anvertraut hat? Wie gehen wir mit der Schöpfung um? Und, vor allem, wie mit dem Glaubensschatz, den wir an die nächsten Generationen weitergeben sollen?
Liebe LeserInnen, ich verstehe das Evangelium an diesem Sonntag, so „unschön“, ja in seiner Schilderung so drastisch es auch sein mag, als eindringlichen Appell, aus dem, was Gott uns schenkt, was er uns an guten Gaben und Worten mit auf den Weg gibt, das Beste zu machen und aus dem Glauben heraus Strahlkraft zu entwickeln.
Sind wir, um beim Bild des Weinbergs zu bleiben, gute Winzer? Erweisen wir uns würdig, den Weinberg des Herrn zum Wohl unserer Mitmenschen zu pflegen und liefern wir gute Früchte ab, wenn es Zeit dafür ist? Sind wir dazu bereit oder denken wir an erster Stelle an unseren eigenen Vorteil und hören wir nicht auf das, was uns die Schrift sagt?
Wenn wir die Früchte des Glaubens, der Nächstenliebe und der Barmherzigkeit in uns wachsen und Gottes Liebe in und durch uns wirken lassen, dann haben wir zu danken für eine überreiche Ernte, wie sie Gott gefällt. Dann wird die Ernte zu einem wahren Fest.
Quelle: Luxemburger Wort