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Kommentar zum 7. Sonntag im Jahreskreis von Roger Nilles (23.2.2020)
Lev 19,1-2.17-18 / Mt 5,38-48
Ich möchte dort ansetzen, wo mein Vorschreiber, Pater Théo Klein, vergangenen Samstag an dieser Stelle begonnen hat. Ihm war „ganz mulmig“ bei den Worten Jesu in der Bergpredigt. Wenn wir bei Matthäus etwas weiterblättern, zum Schluss der Bergpredigt und deren Wirkung, geht es mir wie der Menge: sie war sehr betroffen. Also nicht besser als mulmig, wohl eher schlechter, zunächst.
Bei Levitikus heißt es an diesem Sonntag „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (19,18). Dich lieben? Deinen Nächsten lieben? Deinen Nächsten lieben wie dich selbst, denn er ist wie du? Als wäre das nicht schon schwierig genug – mal mag ich mich nicht, mal ist mit der andere egal –, geht es bei Matthäus einen Schritt, einen entscheidenden Schritt weiter: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen“. „Jesus stellt einen hohen Anspruch“, stellt Pater Klein mit Bezug auf die Worte Jesu an die Menge nüchtern fest, eine Untertreibung gestatte ich mir mit Blick auf die heutige Bibelstelle über Vergeltung und Feindesliebe (Mt 5,38-48) zu behaupten. Jesus stellt höchste Ansprüche.
Aber nochmals kurz zurück zu unserem Levitikus-Text. Dort ist es die Aufforderung: „Seid heilig, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig“. Nicht weniger ambitiös geht es bei Matthäus zu: „Seid also vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist“. Heilig? Vollkommen? Wie soll das gehen und richtet sich dieser Aufruf etwa auch an mich? Und während ich mir diese Frage stelle, schwingt schon ein leicht resigniertes „Das kann nicht klappen“ mit. Aber vielleicht ist mein Ansatz falsch, müsste ich nicht eher fragen: Was will Gott mir damit sagen?
Gott will, dass ich liebe. Dass durch mich wie durch jeden von uns seine Liebe die Menschen erreicht, durchdringt und verwandelt. Das ist ein Auftrag nicht nur für einen Sonntag, sondern für das ganze Leben. Gottes vorurteilsfreie Liebe macht keine Unterschiede – „er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten“, heißt es –, wieso also sollten wir unterscheiden zwischen jenen, die wir als Mensch ein bisschen lieben, jenen, die wir mehr lieben und jenen, die wir gar nicht mögen, die uns egal sind, die wir meiden, ja denen wir mitunter Dinge wünschen, die so gar nicht zu unserem Christsein passen?
Der Auftrag, der aus der frohen Botschaft erwächst, soll unsere urchristliche DNA sein, allen Menschen mit Liebe zu begegnen, auch dort, wo es zwischenmenschlich schwierig ist, vielleicht zunächst unmöglich erscheint. Liebe schenken, auch wenn sie nicht erwidert wird, ist der ethische Anspruch, denn Gott liebt auch uns bedingungslos, ohne Vorbehalte, dabei gäbe es, nach menschlichem Ermessen betrachtet, auch für Ihn wohl „gute Gründe“ uns nicht vorbehaltlos zu lieben, da wir so viel Liebe gar nicht „verdienen“. Aber das ist nicht seine „Logik“ und sollte auch unsere Denkart nicht sein.
Christus ermutigt uns: Bleib nicht stehen, nicht bei der Selbstliebe, auch nicht bei der Nächstenliebe, geh weiter, tu das Unerwartete, verzichte auf Vergeltung und überwinde so die Feindschaft. Ja, machen Sie diesen entscheidenden Schritt und versuchen Sie, diejenigen zu lieben, die Sie nicht mögen oder von denen Sie nicht gemocht werden. Denn nur die Liebe vermag die Welt zum Guten hin zu verändern, ja zu verwandeln. In diesem Sinne: Gehen Sie weiter...