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„Fürchtet euch nicht“
Kommentar zum 12. Sonntag im Jahreskreis von Marie-Christine Ries (21.06.2020)
Beim Lesen des Evangeliums vom kommenden Sonntag, habe ich mich spontan gefragt, ob Jesus mit seinen Aussagen, seine Zuhörer und Zuhörerinnen ermutigen oder aufschrecken will. Da gibt es wohl dreimal die Zusage: „Fürchtet euch nicht“, aber da ist auch die Rede von Tod, Hölle, verleugnen.
In seinem Handeln und Reden hat Jesus Ablehnung und Anfeindungen erfahren. Er wurde dann letztendlich von den politischen und religiösen Autoritäten beseitigt.
Matthäus, so wie die anderen Evangelisten auch, hat das Evangelium nach dem Tod und der Auferstehung Jesus geschrieben. Er hat erlebt, dass auch die ersten christlichen Gemeinden wegen ihres gelebten Glaubens Anfeindungen und Verfolgung ausgesetzt sind. Und so hat er die Aussagen Jesu gesammelt, die in dieser Situation Mut und Zuversicht sind.
Was kann dieses Evangelium uns heute sagen? Ich bin beim ersten Satz hängen geblieben: „Fürchtet euch nicht vor den Menschen.“
Auf Menschen zugehen, die ich nicht kenne von denen ich nicht weiß, ob das was ich sagen oder anbieten will angenommen wird oder nicht, ist schwer. Da spüre ich Angst in mir. Aber auch die Versuchung, mich auf den bekannten und geschützten Kreis von Mitchristinnen und Mitchristen zu begrenzen, oder um es provokant zu sagen, in der Sakristei zu bleiben und mich auf die Menschen zu begrenzen, die etwas mit Kirche zu tun haben.
Jesus lädt uns ein einen anderen Weg zu gehen. Den Weg des Vertrauen, weil Er mit uns auf dem Weg ist. Das Evangelium ist „Gute Nachricht“ für das Leben der Menschen heute. Wenn ich mich am Alltag der Menschen interessiere, absichtslos zuhöre und es wage mit ihnen Spuren Gottes zu suchen und zu entdecken, dann wird Glaube erfahrbar. Und die Angst ist weniger oder ganz weg.
Nicht alle Erfahrungen sind positiv: es gibt Abweisung, Anfeindung, Indifferenz. Aber sich deshalb von den Menschen zurückzuziehen, ist keine Alternative für Christinnen und Christen.
Im griechischen bedeutet Pfarrei sowohl Nachbarschaft als auch der Fremde, der kein Recht auf Staatsbürgerschaft hat. Pfarrei hat etwas mit Nähe und Solidarität zu tun. Solidarisch zu sein mit Menschen, die sozial, ökonomisch und menschlich ausgegrenzt sind. Und da macht die Aufforderung Jesu: „Fürchtet euch nicht vor den Menschen“ Mut. Auch das Wissen, dass Gott kennt uns beim Namen kennt, dass sogar unsere Haare auf dem Kopf gezählt sind.
Und die Erfahrung einer gelebten Gemeinschaft, die offen ist für alle.
Fürchtet euch denn Alltag der Mitmenschen zu teilen.
Quelle: Luxemburger Wort