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Erfahrung der Passivität als Moment wahrer Umkehr
Kommentar zum Gründonnerstag von Sr. Danièle Faltz (9.4.2020)
In diesen Wochen haben wir ein Gespür davon bekommen, was Dienst am Menschen und Hingabe bis zur Vollendung heißen können. Somit besitzen wir einen entscheidenden Schlüssel zum tieferen Verständnis des Gründonnerstags.
Jesus sieht dem Tod ins Auge. Weil er die Menschen liebt, und sie bis zur Vollendung liebt, erfüllt er an ihnen den Sklavendienst der Fußwaschung. Er setzt damit ein Zeichen: „So wie ich es getan habe, so tut es mir nach“. Im Zeichen der Fußwaschung nimmt Jesus voraus, was am Kreuz vollendet wird. Und genau das geschieht auch in den Zeichen von Brot und Wein: Jesu stellt sich ganz zur Verfügung, nichts von seinem Sein hält er zurück, er will für uns Nahrung sein, er will uns erfüllen mit seinem Leben, er will eins sein mit uns. In beiden Zeichen gibt er sich ganz, aus Liebe.
Es ist sicher nicht schwer Liebe und Hingabe im konkret gelebten Dienst zu erkennen. Spontan kann man Beispiele anführen, unzählige Beispiele aus den letzten Wochen.
Die Eucharistie als Nahrung für unser Leben zu verstehen, als unentbehrliche Nahrung, das ist schon etwas schwieriger. Vielleicht hilft uns der - im Moment notwendigerweise aufgezwungene - Verzicht auf die Teilnahme an der Hl. Messe etwas zu verspüren von dieser Unentbehrlichkeit. Was man nicht haben kann oder darf, wird ja im Allgemeinen umso begehrenswerter und steigert die Sehnsucht danach.
Im Bericht über die Fußwaschung spielt Petrus eine wichtige Rolle. Als Jesus zu ihm kommt und ihm die Füße waschen will, wehrt er sich heftig. Er kann nicht zulassen, dass sein Herr und Meister sich vor ihm, dem Jünger, niederkniet um ihm diesen Sklavendienst zu erweisen.
Alle Kranken und älteren Personen, die täglich auf die Hilfe anderer angewiesen sind, können das bestens nachfühlen. Sie wissen, wieviel Demut es braucht, abhängig zu sein und sich helfen zu lassen. Ganz sicher verstehen sie Petrus: er war ein aktiver Mensch; sich von Jesus bedienen zu lassen, das soll sein Meister lieber nicht von ihm verlangen.
Vielleicht haben einige von uns sich in den letzten Wochen auch in dieser Demut üben müssen: entweder, weil wir selber krank waren oder auch, weil wir nicht helfen konnten, weil wir nicht aktiv werden konnten. Es gehört auch Demut dazu, sich einzugestehen: in dieser Krise bin ich absolut ohnmächtig, unfähig einen erleichternden Beitrag zu leisten. Mir wird sogar verboten, ältere oder kranke Menschen zu besuchen. Das einzige was von mir erwartet wird, ist zu Hause zu bleiben.
Die Erfahrung dieser Passivität, die viele von uns in diesen Wochen erleben und erleiden, kann uns vielleicht auch helfen, das Geheimnis unseres Glaubens besser zu verstehen. Es könnte ein Moment wahrer Umkehr sein: Gott steht im Dienst des Menschen und nicht umgekehrt. Nicht ich bin wichtig, nicht ich muss Gott gefallen, nicht mein Dienst in der Kirche ist unentbehrlich, nicht ich bin das Heil der Menschen, sondern Gott - und Gott allein.
So könnte dieser besondere Gründonnerstag -ohne physische Teilnahme an der Eucharistie- uns dazu bereitmachen, Gott an uns handeln zu lassen, uns ihm ganz zu öffnen, unser ganzes Bestreben darauf auszurichten, seine Liebe in uns aufzunehmen und daraus zu leben. Das, was er für uns will, an uns geschehen lassen. Und dafür dankbar sein. Eucharistie heißt ja „Dank sagen“.
Quelle: Luxemburger Wort