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„Der Schwache kann nicht verzeihen, Vergebung ist Sache der Starken“
Kommentar zum 24. Sonntag im Jahreskreis von Renée Schmit (13.09.2020)
Dem Anderen vierhundertneuzigmal verzeihen. Nein, da übertreibt Jesus doch maßlos! Wenn jemand mich zum x-ten Mal belogen hat, an der Nase herum geführt oder sogar verleumdet und beleidigt hat, dann muss ich mich doch zur Wehr setzen! Das muss ich ihm doch unter irgendeiner Form heimzahlen dürfen - oder? Wem Unrecht geschieht, der kann sich doch nicht einfach über den Tisch ziehen oder für dumm verkaufen lassen. Das haben wir doch schon von klein auf gelernt.
Das Sonntagsevangelium greift diese Zumutung auf. Wir hören, wie das Verzeihen dem Rabbi von Nazareth ein Herzensanliegen ist. Auf die Frage von Petrus „Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben ?“ sagt Jesus ohne Kompromissbereitschaft: „Bis zu siebzigmal siebenmal“. Ein starkes Stück für die Jünger Jesu und damit für Jede und Jeden von uns! Wie soll ich das hinkriegen? Die Frage ist berechtigt, gerade in einer Welt, in der man sich um jeden Preis behaupten muss.
Im Leben und in der Verkündigung des Nazoräers nehmen das Verzeihen und die Vergebung indessen eine Schlüsselrolle ein. Gerade im Verzeihen zeigt sich wer Gott ist und wie Er aus maßloser Liebe an den Menschen handelt. Jesus kennt in einzigartiger Weise den Vater und damit auch die Quelle der Barmherzigkeit. Deshalb ruft er die Seinen dazu auf, im Verzeihen zu wachsen. Verzeihen bis es weh tut. Wer ein Jünger Jesu werden will, wird von Jesus aufgefordert, sich auf diesen Übungsweg einzulassen. Schon der Kirchenvater Ambrosius sagt: „Böses nicht mit Bösem zu vergelten ist Pflicht; Böses mit Gutem zu vergelten ist vollkommen“ und für Augustinus ist das Verzeihen die höchste Form des Almosengebens.
Wissend um die Schwächen der Seinen, zeigt sich Jesus als der Barmherzige. Durch seine Art Beziehungen zu leben zeigt er wie Gott handelt. Er teilt Brote aus anstatt Steine zu werfen. Er öffnet Türen anstatt andere auszuschließen. Er durchbricht alte Tabus anstatt Menschen zu begrenzen auf ihre Herkunft, ihre Meinung, ihre Gruppenzugehörigkeit oder ihr Geschlecht. Für Jesus ist die Vergebung der Weg zum Leben, der Weg in die wahre Freiheit. Dabei geht es nicht um äußere Formen und Riten oder um künstliche Wertschätzung um jeden Preis, sondern um eine innere spirituelle Auseinandersetzung aufgrund der Anforderungen Jesu, damit in seinem Sinn echte Beziehungen möglich werden. Nur in Verbindung mit Ihm wird dies möglich. Er schenkt uns das Verzeihen aus dem Herzen des Vaters und ist zugleich ganz nahe am Leben von uns Menschen. Jesus interessiert sich für unsere Einmaligkeit. Er will, dass es uns gut geht, dass wir uns entfalten und dass Communio gerade in Krisenzeiten, in denen die Gefahr besteht sich hinter der Maske abzuschotten, keine leere Worthülse bleibt. Deshalb gibt er den Seinen das Verzeihen als zentralen Beziehungsschlüssel mit auf den Weg. Mit diesem Schlüssel werden Brüche geheilt. Erinnern wir uns an die Begegnung mit dem Gelähmten, wo er sagt: „Deine Sünden sind dir vergeben. Nimm deine Tragbahre und geh!“ Verzeihung wird so zum Weg der Heilung. Mit Jesus dürfen auch wir diesen unverzichtbaren Schlüssel der Vergebung neu in die Hand nehmen und Befreiung und Heilung erfahren.
(„Der Schwache kann nicht verzeihen, Vergebung ist Sache der Starken“, Zitat: Mahatma Gandhi.)
Quelle: Luxemburger Wort
renee.schmit@cathol.lu
Directrice du Centre de formation diocésain Jean XXIII
Déléguée épiscopale à l’Évangélisation et la Formation diocésaine