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Die Rolle des Bischofs im synodalen Prozess
Brief der Kardinäle Grech und Hollerich an die Bischöfe (26.1.2023)
Vatikan, 26. Januar 2023
Liebe Mitbrüder,
wie Sie wissen, sieht der Ablauf der Synode 2021-2024 nach Abschluss der Konsultationsphase "in den Ortskirchen" die Einberufung der kontinentalen Versammlungen vor. Im Hinblick auf diese Phase wenden wir uns an euch alle, die ihr in euren Ortskirchen das Prinzip und die Grundlage der Einheit des heiligen Volkes Gottes seid (vgl. LG 23). Wir tun dies im Namen der gemeinsamen Verantwortung für den laufenden synodalen Arbeitsprozess als Bischöfe der Kirche Christi: Es gibt keine Ausübung der kirchlichen Synodalität ohne Ausübung der bischöflichen Kollegialität.
Die apostolische Konstitution Episcopalis communio erinnert uns daran, dass "jeder Bischof gleichzeitig und untrennbar die Verantwortung für die ihm anvertraute Ortskirche und die Sorge für die Gesamtkirche besitzt" (EC, Nr. 2). Diese zu ermöglichen, war von Anfang an die wesentliche Grundlage der Bischofssynode. Der heilige Paul VI. stellt in seinem Gründungsdokument, der Apostolica Sollicitudo, mit großer Weitsicht fest, dass die Synode, "wie jede menschliche Institution, im Laufe der Zeit stets vervollkomment werden kann". Das ist es, was wir jetzt erleben: Die Episcopalis communio, weit davon entfernt, eine bischöfliche Institution zu schwächen, macht, während sie den prozessualen Charakter der Synode hervorhebt, die Rolle der Seelsorger und deren Teilnahme an den verschiedenen Phasen noch wichtiger. Daher danke ich Ihnen für alles, was jeder von Ihnen bisher im Dienst der Synode 2021-2024 getan hat, um die Konsultation des Gottesvolkes in den Ortskirchen sowie die Erkenntnisse und Unterscheidungen in den Synoden/Räten der Kirchen sui iuris und in den Bischofskonferenzen zu ermöglichen.
Kurz vor den bevorstehenden kontinentalen Versammlungen ist es uns ein dringendes Anliegen, einige Überlegungen mit euch zu teilen, um ein gemeinsames Verständnis des synodalen Prozesses, seines Verlaufes und der Bedeutung der Etappe, in der wir uns befinden, zu erlangen. Es gibt nämlich einige, die sich anmaßen, bereits zu wissen, wie die Schlussfolgerungen der Synodalversammlung lauten werden. Andere möchten der Synode eine Tagesordnung aufwingen, mit der Absicht, die Diskussion zu lenken und deren Ergebnisse zu beeinflussen. Das Thema, das der Papst der XVI. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode zugewiesen hat, ist jedoch klar: "Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung". Dies ist also das einzige Thema, das wir in jeder Phase des Arbeitsprozesses erforschen sollen. Die Erwartungen an die Synode 2021-2024 sind vielfältig, aber es ist nicht die Aufgabe der Vollversammlung, alle Themen zu behandeln, über die in der Kirche debattiert wird.
Diejenigen, die sich anmaßen, der Synode ein bestimmtes Thema aufzuzwingen, vergessen die Logik, die dem synodalen Arbeitsprozess zugrunde liegt: Wir sind aufgerufen, einen "gemeinsamen Kurs" zu finden, der von den Beiträgen aller ausgeht. Es ist auch unnötig, daran zu erinnern, dass die apostolische Konstitution Episcopalis communio die Synode von einem Ereignis in einen Arbeitsprozess verwandelt hat, der sich in Phasen gliedert. Das bedeutet, dass die Synode seit ihrer feierlichen Eröffnung am 10. Oktober 2021 in St. Peter das ihr zugewiesene Thema zuerst in der Phase der Konsultation des Gottesvolkes, dann in den Erkenntnissen und Unterscheidungen der Seelsorger in den Synoden/Räten der Kirchen sui iuris und in den Bischofskonferenzen und jetzt in den kontinentalen Versammlungen behandelt und entwickelt hat. Gerade wegen der engen Bindung zwischen den verschiedenen Phasen können nicht insgeheim andere Themen eingeführt werden, wobei die Versammlung instrumentalisiert und die Konsultation des Volkes Gottes missachtet wird.
Dass in der ersten Phase des Zuhörens die Grenzen des Themas nicht so klar gezogen wurden, ist verständlich, auch wegen der Neuartigkeit der Methode und der Schwierigkeit zu verstehen und anzuerkennen, dass das gesamte "heilige Volk Gottes auch an dem prophetischen Amt Christi teilhat" (LG, Nr. 12). Aber diese Unsicherheit hat während der nachfolgenden Schritte abgenommen. Dies zeigt der Ton der Synthesen, die von den Synoden/Räten der Kirchen sui iuris und den Bischofskonferenzen an das Sekretariat der Synode gesandt wurden und die das Ergebnis der Unterscheidungen der Beiträge der Konsultation des Volkes Gottes durch die Seelsorger darstellen. Auf Grund dieser Synthesen wurde das Dokument für die kontinentale Etappe (DKE) verfasst, in dem die Stimme der Ortskirchen deutlich zum Ausdruck kommt.
Die Entscheidung, das DKE an die Ortskirchen zurückzugeben und jede einzelne zu bitten, auf die Stimme der anderen zu hören, die aus diesem Dokument erklingt, und so die Etappen des synodalen Arbeitsprozesses auf einer bewussteren Ebene neu zu lesen, zeigt, dass wahrhaft die einzige Regel, die wir uns gegeben haben, darin besteht, stets auf die Stimme des Heiligen Geistes zu hören: "Eine synodale Kirche ist eine Kirche des Hinhörens, in der alle - das Volk Gottes, das Bischofskollegium, der Bischof von Rom - einander zuhören, um die Stimme des Heiligen Geistes zu vernehmen" (Franziskus, Ansprache zur 50-Jahr-Feier der Errichtung der Bischofssynode, 2015).
Die Themen, die das DKE vorschlägt, stellen nicht die Tagesordnung der nächsten Versammlung der Bischofssynode dar, sondern geben getreu wieder, was sich aus den Synthesen ergibt, die von den Synoden/Räten der Kirchen sui iuris und von den Bischofskonferenzen übermittelt wurden, und erlauben einen Blick auf das Bild einer Kirche, die lernt, den Heiligen Geist anzuhören, indem sie einander zuhören. Es wird die Aufgabe der Kontinentalen Versammlungen sein, anhand der Resonanz, die die Lektüre der DKE in jeder Ortskirche bewirkt haben wird, zu ermitteln, "welche Prioritäten, wiederkehrende Themen und Handlungsaufforderungen man mit den Ortskirchen in der ganzen Welt austauschen und bei der ersten Sitzung der Synodenversammlung im Oktober 2023 diskutiert werden können" (DKE, Nr. 106).
Deshalb vertrauen wir darauf, dass in den kontinentalen Versammlungen die Stimme der Ortskirchen durch die Synthese der Synoden/Räte der Kirchen sui iuris und der nationalen Bischofskonferenzen wieder und mit noch größerer Kraft erklingen wird. Je mehr wir in einem synodalen Stil der Kirche wachsen, desto mehr werden wir alle Mitglieder des Volkes Gottes - Gläubige und Seelsorger - lernen, mit der Kirche sentire cum Ecclesia, in der Treue zum Wort Gottes und zur Tradition. Wie könnten wir uns andererseits mit konkreten, oft spaltenden Fragen befassen, ohne zuvor die große Frage beantwortet zu haben, die die Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil beschäftigt: "Kirche, was sagst du über dich selbst?". Der lange Weg der Rezeption des Konzils lässt uns den Schluss ziehen, dass die Antwort in der "konstitutiv synodalen" Kirche liegt, in der alle aufgerufen sind, ihr eigenes kirchliches Charisma auszuüben, um den gemeinsamen Auftrag der Evangelisierung zu erfüllen.
Der derzeit laufende synodale Prozess zeigt uns, wie dies möglich ist. Aufgrund seiner Teilhabe an der prophetischen Funktion Christi ist das heilige Volk Gottes durch die Konsultation, die jeder Bischof in seiner Kirche durchführt, Gegenstand des synodalen Prozesses: Auf diese Weise kann man wahrlich auf "die Gesamtheit der Gläubigen hören, welche die Salbung von dem Heiligen empfangen haben (vgl. 1 Joh 2,20.27), [die] im Glauben nicht irren [kann] " (LG, Nr. 12). Das Bischofskollegium, das "stets mit seinem Haupt, dem Bischof von Rom, und niemals ohne dieses Haupt, gleichfalls Träger der höchsten und vollen Gewalt über die ganze Kirche besitzt" (LG, n. 22), nimmt am synodalen Prozess teil, sowohl wenn jeder Bischof die ihm anvertraute Konsultation des Gottesvolkes einleitet, leitet und abschließt, als auch in den aufeinanderfolgenden Etappen, wenn die Bischöfe gemeinsam ihr Charisma der Unterscheidung ausüben, und zwar in den Synoden/Konzilen der Kirchen sui iuris und in den Bischofskonferenzen, in den kontinentalen Versammlungen und, in besonderer Form, in der Synodalversammlung. Gleich was über das ökumenische Konzil gesagt wird, ist es das Vorrecht des Bischofs von Rom, "das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen " (LG, Nr. 23), die Synodalversammlungen einzuberufen, zu leiten und zu bestätigen.
Bereits in dieser ersten Phase des synodalen Arbeitsprozesses konnten wir sehen, wie jeder seinen Teil geleistet hat, wobei die Rolle und der Beitrag der anderen respektiert wurden. Es geht darum, diesen Weg voranzugehen und die Synodalität nicht nur als Methode zu verstehen, sondern sie als Form der Kirche und als Stil zur Erfüllung des gemeinsamen Auftrags der Evangelisierung zu übernehmen. Der Dienst der Seelsorger wird damit noch bedeutsamer für das Vorangehen des heiligen Volkes Gottes. Wir sind überzeugt, dass der Heilige Geist, der den Kurs der Kirche leitet, uns auf diesem Weg erfahren lässt, wie "die Bischofssynode, die den katholischen Episkopat repräsentiert, zum Ausdruck der bischöflichen Kollegialität in einer vollkommenen synodalen Kirche wird" (Franziskus, Ansprache zur 50-Jahr-Feier der Errichtung der Bischofssynode, 2015).
Die kontinentale Etappe kann uns helfen, diese Vision zu verstehen, wenn wir als Bischofskollegium gemeinsam nach Wegen suchen, die der Kirche helfen, "das Sakrament der Einheit zu sein; sie ist nämlich das heilige Volk, geeint und georndet unter den Bischöfen " (SC, Nr. 26). Darüber hinaus wird die Teilnahme am synodalen Prozess es uns ermöglichen, jene kollegiale Einheit zu stärken, die "auch in den gegenseitigen Beziehungen der Bischöfe zu ihren Teilkirchen und zur Gesamtkirche zum Ausdruck kommt" (LG, Nr. 23). Wenn es wahr ist, dass alle Bischöfe „indem sie ihre eigene Kirche als Teil der Gesamtkirche recht leiten, wirksam beitragen zum Wohl des ganzen mystischen Leibes, der auch der Leib der Kirchen ist" (LG, Nr. 23), so ist es auch wahr, dass wir alle zusammen cum et sub Petro berufen sind, "die ganze Kirche im Band des Friedens, der Liebe und der Einheit zu vertreten" (LG, Nr. 23). Was gibt es Besseres als "gemeinsam zu gehen", in der Gewissheit, dass "der Weg der Synodalität jener Weg ist, den Gott von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet" (Franziskus, Ansprache zur 50-Jahr-Feier der Errichtung der Bischofssynode, 2015)?
In Christo
+ Mario Grech, Kardinal Generalsekretär der Synode
+ Jean Claude Hollerich, Kardinal Erzbischof von Luxemburg, Generalberichterstatter der Synode
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