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5. April 2018

Die heilsame Glaubenskraft der Ikonen

Wer den Schritt des Ikonenmalens wagt, taucht in eine symbolträchtige und vielschichtige Glaubenswelt ein, die das westliche Christentum bereichern kann

Es ist eine Tatsache, dass Ikonen für viele Menschen heutzutage eine große Faszination ausüben wie Wolfgang Fleckenstein, Professor für Religionsdidaktik und Bildungsfragen an der Luxemburg School of Religion & Society in der Diözese Luxemburg und langjähriger Religionslehrer und ehemaliger Ausbilder in der Diözese Speyer und seit über 20 Jahren Ikonenschreiber und als erfahrener Lehrer von Ikonenmalkurse es treffend auf den Punkt bringt: „Wer sich Ikonen nähert, sich ihnen aussetzt und sie wirklich vorsichtig entschlüsselt, wird sich selbst entdecken, wird das Leben und schließlich auch Gott etwas besser begreifen“ (S.11). Mit seiner feinen Sensibilität erkennt er deutlich, dass in unserer Westkultur Kinder immer häufiger auf Ikonen stoßen, weil orthodoxe Mitschüler und -schülerinnen mit in der Schulklasse sitzen. Da Kinder keine (dogmatischen) Berührungsängste haben, lädt dieses Buch dazu ein, sich mit der Ikone auf einen intensiven ökumenischen Weg zu begeben.

Wie der Titel dieses Buches zum Ausdruck bringt, geht es um die drei wichtigen Aspekte, wenn Ikonen uns nicht unberührt lassen sollen: sehen, wahrnehmen und gestalten. Es geht beim wirklichen Sehen um ein Weniger; aber Intensiver Sehen, um Staunen-Lernen. Die Begegnung mit der Ikone enthält bekannte und vertraute, aber ebenso unbekannte, ja überraschende Anteile. Für viele scheint bei allem Staunen von Ikonen aber eine demotivierende Haltung Überhand zu gewinnen, wenn es darum geht, um Ikonen zu malen, was weniger den unter den Fachleuten üblichen Ikonenschreiben zum Ausdruck bringt: „Ich kann nicht malen, ich bin künstlerisch nicht begabt“, kann auf dem Weg des angeleiteten Ikonenmalens eine eigene Qualität des Selbstgestaltens, des Ringens um Ausdrucksformen zumindest in ersten kleinen Schritten entgegengetreten werden, und zwar ganz im Sinn von Joseph Beuys: „Jeder ist ein Künstler“ (S.17). Beim Ikonenschreiben werden aktive kreative Kräften angesprochen und erst dann eine mögliche Zeichenhaftigkeit und Symbolträchtigkeit auf den christlichen Glauben hin. Das sogenannte Abmalen ist mehr als ein mechanischer Vorgang. Man malt immer etwas von sich und seine Lebenseinstellung mit. Der, der selbstbewusst ist, wählt kräftigere Farben, und der Vorsichtige malt weniger Schichten. Manchmal taucht hinter dem Christusgesicht die Physiognomie des Malers auf.

Bilder des Heils präsentieren

Im Zeitalter der Medien, die zumeist geradezu „kontaminiert sind von Bildern des Unheils“ (Roger Willemsen), muss es einen verantwortlichen Weg für ein Bild geben, das die Glaubwürdigkeit des menschgewordenen Gottes zum Ausdruck bringt, sonst verschwindet das Christliche von der Bildfläche. Eine zeitgemäße, menschengewandte Glaubensweitergabe kann auf Bilder nicht verzichten und wagt mit der Ikone Bilder des Heils zu präsentieren. Da für viele heute das Heilige weit entfernt ist und nichts mit der Alltagswelt zu tun hat, steigt man im Malvorgang in den Raum des Heiligen ein und erlebt, wie sich das Heilige in dieser Welt in kleinen, unscheinbaren, unspektakulären Schritten zeigt… Als ausgewiesen christliches Glaubenszeugnis setzt sich die Ikone mit dem Wesenskern des Christentums, der Menschwerdung Gottes auseinander und sucht diese beiden Pole, Gott und Mensch in einer Person, mit irdischen Elementen angemessen auszudrücken. Die Ikone ist die anschauliche Brücke zwischen Heiligem und Profanem (S.23).

Wolfgang Fleckenstein ermutigt durch das Ikonenmalen Glaubenswege in nichtkonfessionalistischer Engführung für Schule, Gemeinde und Bildungsarbeit zu wagen. Ikonen ermöglichen eine unmittelbare Begegnung mit dem Dargestellten. Ikonenmalen ist vergleichbar mit der Kunst des Bildhauers, der in dem vor ihm liegenden Stein, der künstlerisch zu bearbeiten er sich vorgenommen hat, das reine Bild wahrnimmt, das darauf wartet, freigelegt zu werden. Seine künstlerische Tätigkeit besteht vor allem im Entfernen des Uneigentlichen, damit die edle Form erscheinen kann, wie es Wolfgang Fleckenstein lapidar ausdrückt: „Es geht bei der Ikone ebenso um den Menschen und seine Beziehung zu Jesus als dem menschgewordenen barmherzigen Gott“. (S.28)

Théo KLEIN s.c.j.
 
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